Gestautes Wasser als Schlüssel zur geregelten Versorgung und zum gelebten Schutz vor Überschwemmungen
Die Wasserführung der Rur und ihrer Zuflüsse ist von Natur aus wenig kalkulierbar: Zum einen nehmen die Böden der Nordeifel das vorhandene Wasser schlecht auf, zum anderen sorgen Starkniederschläge und Trockenperioden für unregelmäßige Wasserstände. Gerade kleinere Flüsse im Unterlauf der Rur könnten so im Jahresverlauf „trockenfallen“ – also gar kein Wasser mehr führen. In der Vergangenheit waren häufige Hochwässer und monatelanger Wassermangel für die Menschen, die von und mit dem Fluss lebten, die existenzbedrohende Folge.
Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich das nötige technische Wissen, und man begann mit dem Bau von Talsperren: Unsere Urft-Talsperre wurde 1905 fertiggestellt und war die erste Talsperre des Verbundes. Damals galt sie als die Größte des gesamten Kontinents und löste geradezu einen „Talsperren-Bauboom“ aus. Der Stau von Bach- oder Flusswasser wurde zum Erfolgsrezept für die Region, löste er doch viele Probleme gleichzeitig:
- Hochwasserschutz
- Bereitstellung von Rohwasser für die öffentliche Trinkwasserversorgung
- Betriebswasserversorgung für Industrie und Landwirtschaft
- Energieerzeugung durch Wasserkraft
Mit der Zeit wurden die entstandenen Stauseen auch zum beliebten Orten der Naherholung, Treffpunkte für Wanderer sowie Wassersportler. Damit entwickelten sich zu „Motoren“ der touristischen Entwicklung der Region.
Eine Talsperre ist in der Regel eine große, massiv gebaute Mauer in einem Fluss – dieser wird durch die künstlich erzeugte Absperrung zum See. Das Wasser auf dieser Seite steht dann höher und kann bei Bedarf, an den unten an der Mauer liegenden Grundablässen, in den darunter gelegenen Flussabschnitt, den Unterlauf, abgegeben werden. Auf diese Weise hat man Einfluss auf den Wasserstand im weiteren Verlauf des Flusses, und ein effektiver Hochwasserschutz wird möglich. Zudem entsteht ein wichtiger Wasserspeicher für die Region. Zusätzlich zu den Grundablässen können Talsperren auch über so genannte Betriebsauslässe verfügen: Aus diesen wird das Talsperren-Wasser beispielsweise zur Stromerzeugung zu einem Wasserkraftwerk transportiert oder zu einem Wasserwerk eines Trinkwasserversorgers. Die Grundablässe großer Talsperren besitzen immer zwei Verschlüsse – mit dem „Regelorgan“ steuert man die Wassermenge, die bei der Abgabe durch die Leitung fließen soll. Ein weiterer Verschluss dient als „Backup“ des Regelorgans und somit der Sicherheit.
Staumauern gibt es in verschiedenen Ausführungen: Die häufigste Form der Staumauer ist die Gewichtsstaumauer – ein gutes Beispiel ist hierfür die Urfttalsperre. Gewichtsstaumauern bestehen aus massivem Beton oder mit Mörtel verbundenen großen Bruchsteinen und stemmen sich mit ihrem Eigengewicht gegen die aufgestauten Wassermassen. Andere Varianten, wie zum Beispiel die so genannte Pfeilerstaumauer, sind seltener – unsere Oleftalsperre ist in Deutschland die einzige ihrer Art. Sie ist innen hohl ausgeführt und lenkt den Wasserdruck über ihre Pfeiler in den Untergrund. Welche Bauart letztlich zur Anwendung kommt, entscheiden unter anderem die vorliegenden Geländebedingungen.
Talsperren sind aber nicht immer zwingend als Staumauern konstruiert: Eine andere Konstruktionsform ist der Staudamm. Seine Bestandteile – Erde, Geröll, Ton und Lehm – formen sich meist zu einem stützenden und einem dichtenden Teil. Aufgrund der Bauweise ist bei Staudämmen darauf zu achten, dass sie nicht überflutet werden, da der Wasserstrom sie auswaschen und so zerstören würde.
Da eine Überflutung natürlich bei keiner Talsperre gewollt ist, besitzt jede eine Hochwasserentlastung, die im Notfall kontrolliert Wasser abführen kann.
Hinter dem reibungslosen Betrieb unseres Talsperren-Systems stecken komplexe Berechnungen: Unsere Talsperren-Bewirtschaftung fußt auf einem umfassenden Daten-Archiv. Die täglichen Abfluss-Mengen der letzten 115 Jahre dienen als Berechnungsgrundlage bei der Entwicklung unseres Regelstrategie zur Steuerung des Talsperren-Systems. Mit Hilfe numerischer Modelle können wir die verschiedenen Varianten der Talsperren-Steuerung simulieren und so die optimale Balance bei konkurrierenden Nutzungsansprüche ermitteln: So schließen sich Hochwasserschutz und eine gleichzeitige Nutzung der Talsperre zur Wasserbevorratung nicht aus. Ideale Faktoren für die Bewirtschaftung an der Rur sind eine gleichmäßige Mindestabgabe von 5 Kubikmetern Wasser pro Sekunde, sowie im Hochwasserfall eine Einhaltung der Obergrenze von 60 Kubikmetern in der Sekunde.
Optimale Balance – ein Gewinn für alle
Unser zentraler Speicher im Talsperren-System ist die Rur-Talsperre – sie darf, gemäß unseren statistischen Berechnungen, nur seltener als einmal in 100 Jahren überlaufen oder sich komplett entleeren. Doch wie legen wir unser jeweiliges Stau-Ziel in den Talsperren fest? Und wie können wir es halten? Unsere Modelle müssen Entscheidungen für die Zukunft möglich machen, auch wenn extreme Trockenperioden, gar über mehrere Jahre, oder eine Serie von Hochwasserereignissen nicht vorhersagbar sind. Das halbe Speichervolumen einer Talsperre kurzerhand als Zielstauwert zu definieren, wäre zu kurz gegriffen – mit dieser geringen Wassermenge wäre zwar der Hochwasserschutz ein Leichtes, aber mehrmonatige oder gar mehrjährige Trockenphasen wären so nicht zu überstehen. Hier greifen also wieder die oben genannten, berechneten Werte. Vor diesem Hintergrund ist leicht zu erkennen: zeitweise niedrige Staumengen in Trockenzeiten sind ebenso wenig ein Bewirtschaftungsfehler unsererseits, wie die seltenen Hochwasserabgaben aus dem Talsperren-System. Letztere werden oft erst zum Problem für Anrainer, wenn auch andere, nicht steuerbare Hochwasserabflüsse aus den Nebengewässern entlang der Rur auftreten. Im Gegenteil, die Talsperren federn Hochwasserspitzen für die Menschen entlang der Rur zu circa 50 Prozent ab und bewahren sie so vor größerem Schaden.
Talsperren-Leitsystem: Ihre Sicherheit im Blick
Unsere Fachleute der Talsperren-Bewirtschaftung tragen eine hohe Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in der Region und überwachen die komplexen Bauwerke und Anlagen des Talsperren-Verbunds mit einem digitalen, vernetzten Leitsystem. So sind sie jederzeit in der Lage, Belastungen und Entwicklungen, auch am Staubauwerk selbst, frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Das Leitsystem erfasst, kontrolliert und verwaltet unter anderem Messwerte für den Sickerwasseranfall, die Bauwerksbewegungen, den Porenwasserdruck, Niederschläge, Luft-, Wasser- und Baustofftemperaturen sowie die Stromerzeugung.
Angaben zur aktuellen Talsperrenabgabe finden Sie hier.